Hilfe und Schutz, die österreichischen Kinderschutzzentren
Der Bundesverband österreichischer Kinderschutzzentren begrüßt den Vorstoß von Minister Brandstätter und Ministerin Heinisch-Hosek für eine Reform des Sexualstrafrechts, welche klar stellt, dass sexuelle Handlungen gegen den Willen einer Person Straftaten sind. Die Kinderschutzzentren begrüßen insbesondere die Neuregelung, der zufolge für einen Straftatbestand die deutliche Willensbekundung, dass man mit einer sexuellen Aktivität nicht einverstanden ist, ausreicht.
Die bisherige Praxis, dass nicht einvernehmliche Sexualkontakte nur dann mit Strafe zu verfolgen sind, wenn sich das so genannte Opfer nachweislich körperlich zur Wehr gesetzt hat und die sexuelle Gewalt abgewehrt hat, missachtet und ignoriert das Wissen um Gewaltdynamiken. Dieser Gesetzesvorstoß beruht auf der Grundlage, dass Sexualkontakte nur einvernehmlich gelebt werden und jede Person das Recht hat, sexuelles Begehren abzuweisen. Diese Normen und Haltungen sind fester Bestandteil von Präventionsbotschaften und daher begrüßen die Kinderschutzzentren, dass in diesem Gesetzestext diese normativen Haltungen Eingang gefunden haben.
Personen, Frauen wie Männer, Burschen wie Mädchen, die sich – aus welchen Gründen auch immer – nicht wehren können, brauchen den Schutz der Gesellschaft. Dieser Schutz kann effizienter gewährt werden, wenn die normativen Grundlagen dafür geschaffen sind. Gesetzliche Grundlagen und Bewusstsein bildende Kampagnen ergänzen sich und gehören zusammen. Genauso wie Gesetzesinitiativen zum Gewaltschutz erst durch entsprechende Kampagnen möglich werden, bedarf es weiterer Kampagnen, um das Bewusstsein für diese Art der Übergriffe zu schärfen. Auch das gesetzliche Gewaltverbot in der Erziehung, das Österreich als viertes Land der Welt 1989 umgesetzt hat, war nur möglich, weil sich in den Achtzigerjahren die ersten Kinderschutzzentren ihre Arbeit auf der Grundlage des Slogans der Kampagne „Die gesunde Ohrfeige macht krank“ (Czermak 1981) aufgenommen haben und sich vehement für einen diesbezüglichen Bewusstseinswandel stark gemacht haben. Es konnte auch nachgewiesen werden (Bussman etal 2008), dass ein gesetzliches Gewaltverbot in der Erziehung notwendig ist, um eine gewaltfreie Erziehung besser etablieren zu können, wenngleich dies allein nicht ausreicht, sondern weitere Kampagnen für die breite Umsetzung erforderlich sind. So ist auch der Schutz der sexuellen Integrität und Selbstbestimmung gesetzlich zu verankern. Slogans wie „kein Küsschen auf Kommando“ und „mein Körper gehört mir“ sind seit Jahrzehnten anerkannter Bestandteil jeglicher Präventionsarbeit und es ist höchste Zeit, dass die nächste Generation sich auf einen gesetzlichen Schutz der sexuellen Integrität und Selbstbestimmung verlassen kann. Es kann nicht sein, das wir diese Präventionsarbeit in Schulen und Einrichtungen leisten und die dann Erwachsenen bei Verstößen gegen die sexuelle Selbstbestimmung hören müssen, sie hätten sich nicht vehement genug gewehrt. In diesem Sinne: eine ablehnende Willenskundgebung muss genügen. Besonders Jugendliche, Mädchen wie Burschen, die erst eine selbstbestimmte Sexualität für sich finden sollen, müssen sich darauf verlassen können, das ein Nein ein Nein ist – und ein Ja eine bewusste und freie Entscheidung ist und nicht sein Sich-fügen.
Wien, im April 2015
Für den Bundesverband österreichischer Kinderschutzzentren
Dr.in Adele Lassenberger