Evaluation der Tiroler Kinderschutzzentren

Die Arbeit der Kinderschutzzentren in Tirol wurde im Jahr 2012 erstmals auf die Punktgenauigkeit ihres Angebotes hin überprüft. Im Rahmen des Masterstudiums „Soziale Arbeit, Sozialpolitik & -management“ hat eine Projektgruppe des Management Center Innsbruck, unter der Leitung von Projektleiterin des Studienlehrganges Michaela Pichler, eine auf wissenschaftlichen Kriterien beruhende Evaluation der Qualität der Tiroler Kinderschutzzentren durchgeführt. Neben MitarbeiterInnen der Tiroler Jugendwohlfahrt und der Kinderschutzzentren kommen im nun vorliegenden Bericht auch ehemalige KlientInnen des Tiroler Kinderschutzes zu Wort.

Die wichtigsten Befunde der Studie lauten:

  • Die MitarbeiterInnen der Tiroler Jugendwohlfahrt erleben die Arbeit der Kinderschutzzentren zum Großteil als Unterstützung sowie Entlastung. Vorrangig nützen die Befragten das Angebot der Kinderschutzzentren im Bereich „Sexueller Missbrauch von Minderjährigen“.
  • Bei der Beurteilung des professionellen Handelns wird die Unterstützung für das Kind von den MitarbeiterInnen der Jugendwohlfahrtsbehörden besonders positiv hervorgehoben und bewertet.
  • Aus der Befragung der ehemaligen KlientInnen der Kinderschutzzentren lässt sich eine große Zufriedenheit mit dem Angebot der Kinderschutzzentren ableiten. Die ehemaligen KlientInnen fühlten sich von den MitarbeiterInnen der Kinderschutzzentren in einer krisenhaften Zeit sehr unterstützt. Besonders positiv wurde auch hier die Unterstützung für die (von Gewalt, sexuellem Missbrauch oder Vernachlässigung) betroffenen Kinder erwähnt.
  • Die MitarbeiterInnen des Kinderschutzzentrums wurden in beinahe allen Fällen als sehr kompetent eingestuft. Sie wurden als engagiert, professionell, emphatisch und fachlich kompetent beschrieben. Zusammenfassend wurde die Arbeit der Kinderschutzzentren durch die ehemaligen KlientInnen mit einer Punktzahl von 8,3 von 10 möglichen Punkten als sehr gut bewertet.

LHStv Gerhard Reheis resümiert: „Der vorliegende Evaluationsbericht zeigt einmal mehr auf, wie wichtig qualitativ hochwertiger Opferschutz im Bereich sexueller Gewalt ist. Die jahrzehntelang beständige Arbeit der Kinderschutzzentren in Tirol leistet auf diesem Gebiet einen unverzichtbaren Beitrag.

Forschungsbericht erstellt im Rahmen des Masterstudiums „Soziale Arbeit, Sozialpolitik & -management“ – Feber 2013

Projektgruppe: Sophie Bauer, Stefanie Gratz, Karolina Joedecke, Nike Kirchhof, Eva Kneringer, Gerhard Leiter, Jasmin Neuner, Bastian Oechsle, Carolin Teuchmann, Sabrina Unterbrunner, Caroline Weill

Projektleitung: Michaela Pichler

Resümee und Ausblick

Im vorliegenden Evaluationsbericht wurden sowohl die MitarbeiterInnen der Kinderschutzzentren selbst, als auch die MitarbeiterInnen der Jugendwohlfahrtsbehörden als SystempartnerInnen und auch ehemalige KlientInnen zu ihren Erfahrungen mit der gegenseitigen Zusammenarbeit befragt. Aus der Fragebogen-Erhebung mit den MitarbeiterInnen der Jugendwohlfahrten und den Kinderschutzzentren lässt sich eine große Zufriedenheit mit der Zusammenarbeit zwischen Jugendwohlfahrt und Kinderschutzzentren feststellen. Die Zusammenarbeit der beiden Einrichtungen könnte aus der Sicht der Befragten jedoch noch verbessert werden, z.B. in Form von Vernetzungstreffen, gemeinsamen Fortbildungen und Projekten. Damit könnte auch dem Wunsch der Kinderschutz-MitarbeiterInnen nach mehr Transparenz bzgl. der Arbeit (und der Fallverläufe) der JugendwohlfahrtsmitarbeiterInnen begegnet werden. Die MitarbeiterInnen der Tiroler Jugendwohlfahrt erleben die Arbeit der Kinderschutzzentren zum Großteil als Unterstützung sowie Entlastung. Vorrangig nützen die Befragten das Angebot der Kinderschutzzentren im BereichSexueller Missbrauch von Minderjährigen. Bei der Beurteilung des professionellen Handelns wird dieUnterstützung fürs Kind besonders positiv hervorgehoben und bewertet. Obwohl die fachliche Arbeit der Kinderschutzzentren weitgehend positiv bewertet wird, wird von den befragten SystempartnerInnen an mehreren Stellen betont, dass die Tiroler Kinderschutzzentren über zu wenig personelle sowie zeitliche Ressourcen verfügen. Aus Sicht der JUWO-MitarbeiterInnen besteht ein hoher Bedarf nach höheren personellen Ressourcen, um die bestehende Nachfrage zu decken und zusätzliche Angebote (z.B. langfristige Therapie, Präventivprojekte, u.a.) zu integrieren. Der Wunsch nach mehr Personal bezieht sich vor allem auch auf mehr männliche Mitarbeiter, besonders in der Bereichsstelle Wörgl. Darüber hinaus wurde der Wunsch nach einer weiteren Außenstelle in Reutte formuliert, um eine bessere Erreichbarkeit für KlientInnen aus diesem Gebiet zu gewährleisten. Aus der Fragebogen-Erhebung mit den MitarbeiterInnen der Jugendwohlfahrten und den Kinderschutzzentren lässt sich also ein gemeinsames Problemfeld erkennen: die zeitlichen und personellen Ressourcen der Kinderschutzzentren sind sehr begrenzt und müssten, um die Zufriedenheit der MitarbeiterInnen und der SystempartnerInnen zu verbessern, erhöht werden.

Die Knappheit der zeitlichen Ressourcen führt bei MitarbeiterInnen der Kinderschutzzentren zu einer erhöhten Arbeitsbelastung, bei den MitarbeiterInnen der Jugendwohlfahrtsbehörden zu Einschränkungen in der gemeinsamen Zusammenarbeit und bei der Überweisung von bestimmten Problemfällen. Gerade in den Bereichen der Abklärung (z.B. bei Verdacht auf Sexuellen Missbrauch) müssen Kompromisse gemacht werden, um mit den begrenzten zeitlichen Ressourcen zurecht zu kommen. In diesem Bereich sowie auch im Bereich der TäterInnenarbeit wünschen sich die JugendwohlfahrtsmitarbeiterInnen mehr Ressourcen der Kinderschutzzentren. Die Beurteilung der Aufgabenverteilung zwischen den beiden Einrichtungen ist in einzelnen Bereichen sehr ähnlich, in den Bereichen Strafanzeigen, Abklärungen sowie Vernachlässigung zeigen sich jedoch leichte Unterschiede. Die MitarbeiterInnen der Kinderschutzzentren sind sich bewusst, dass sie dieAbklärungsarbeit (bei Verdacht auf Gewalt/Missbrauch) nicht immer im gewünschten Ausmaß leisten können und dass Täterarbeit, therapeutische Aufarbeitung und Langzeittherapien in den Außenstellen nur sehr begrenzt möglich sind. Aus Sicht des Evaluationsteams kann unterschiedliche Sicht der Aufgabenverteilung zu Spannungen, gegenseitigen erhöhten Erwartungen und damit zu Unzufriedenheit oder Resignation führen. Bezüglich der Aufgabenverteilung wird vom Evaluationsteam eine Vernetzung und Klärung durch eine gemeinsame Arbeitsgruppe, bestehend aus VertreterInnen der Jugendwohlfahrten und der Kinderschutzzentren angeregt. Aus der Befragung der ehemaligen KlientInnen der Kinderschutzzentren lässt sich eine große Zufriedenheit mit dem Angebot der Kinderschutzzentren ableiten. Die ehemaligen KlientInnen fühlten sich von den MitarbeiterInnen der Kinderschutzzentren in einer krisenhaften Zeit sehr unterstützt. Besonders positiv wurde die Unterstützung für die (von Gewalt, sexuellem Missbrauch oder Vernachlässigung) betroffenen Kinder erwähnt. Der Erstkontakt wurde von den Betroffenen Eltern als Erleichterung in einer schweren Situation erlebt. Sowohl die Räumlichkeiten, als auch die Erreichbarkeit und die Rahmenbedingungen innerhalb der Kinderschutzzentren wurden von den ehemaligen KlientInnen als positiv erlebt.

Nahezu alle befragten Elternteile erlebten die Einzelgespräche vor oder nach einem Termin ihres Kindes als hilfreich für das Verständnis von Symptomen, Verhaltensweisen und Erleben ihrer betroffenen Kinder. Des Weiteren fühlten sich die Eltern dadurch auch in den Prozess mit einbezogen. So konnten sie Vertrauen zu den MitarbeiterInnen des Kinderschutzzentrums aufbauen und hatten das Gefühl, dass ihre Kinder gut versorgt wurden. Als besonders hilfreich empfanden die InterviewpartnerInnen die Unterstützung im Umgang mit den Kindern durch die Fachberatung und die kompetenten MitarbeiterInnen. Angenehm wurde auch die Hilfe beim „Organisieren der nächsten Schritte“ oder die Kontaktaufnahme mit bestimmten Institutionen erlebt. Einige Elternteile fühlten sich sehr ernst genommen und unterstützt. Sie erhielten viele Ratschläge, ohne dass man ihnen etwas aufzwang. Bei positiv verlaufenden Prozessen gaben die KlientInnen an, dass auf ihre Wünsche, Bedenken und Bedürfnisse eingegangen wurde und transparent gearbeitet wurde. Allgemein wurde es als sehr wichtig empfunden, dass KlientInnen Mitspracherechte haben und selbst mitentscheiden dürfen. Die Partizipation der KlientInnen, welche sich auch im Evaluationsdesign widerspiegelt, dürfte ein Erfolgsfaktor für eine gelingende Kinderschutz-Arbeit sein. Die MitarbeiterInnen des Kinderschutzzentrums wurden in beinahe allen Fällen als sehr kompetent eingestuft. Sie wurden als engagiert, professionell, emphatisch und fachlich kompetent beschrieben. Zusammenfassend wurde die Arbeit der Kinderschutzzentren durch die ehemaligen KlientInnen mit einer Punktzahl von 8,3 von 10 möglichen Punkten als sehr gut bewertet. Stellvertretend für wohl viele KlientInnen bewertet eine Interviewpartnerin das Kinderschutzzentrum als tolle Einrichtung. Sie hofft, dass es das Kinderschutzzentrum noch ganz lang gibt und die Gelder nicht gestrichen werden. Zudem hofft sie, dass diese Studie dazu beiträgt, dass das KiSZ noch mehr Geld bekommt, um weiterhin so tolle Arbeit zu leisten. Für die Weiterentwicklung und das Qualitätsmanagement der Kinderschutzzentren wäre sowohl aus der Sicht des Evaluationsteams als auch aus der Sicht der befragten SystempartnerInnen und KlientInnen, aber auch aus der Einschätzung der MitarbeiterInnen der Kinderschutzzentren eine Erhöhung der personellen und damit auch zeitlichen Ressourcen der MitarbeiterInnen von großer Notwendigkeit. Ein zusätzlicher Ausbau im Bezirk Reutte wird angeregt. Mit der Erhöhung der personellen Ressourcen könnte dem größeren Beratungs-und Betreuungsbedarf sowohl der betroffenen Kinder und deren Eltern als auch der SystempartnerInnen, in dieser Evaluationsstudie vertreten durch die JugendwohlfahrtsmitarbeiterInnen, begegnet werden.

Den gesamten 90seitigen Evaluationsbericht können Sie gerne über innsbruck@kinderschutz-tirol.at anfordern.