Den Kindern hat er ja nichts getan

Kinderschutzzentrum, Gewaltschutzzentrum und Tiroler Frauenhaus sind besorgt: Eine automatische gemeinsame Obsorge gefährdet den Schutz der Kinder

Auf Anregung von Justizministerin Bandion-Ortner wird derzeit eine Verschärfung der Obsorgeregelung diskutiert und am 24. Juni findet dazu eine parlamentarische Enquete unter dem Titel „Konflikten konstruktiv begegnen – Aktuelle Herausforderungen im Familienrecht (Obsorge und Unterhalt) statt. Auch wenn Details dazu noch unklar sind, mahnen die drei Opferschutzeinrichtungen Kinderschutzzentrum, Tiroler Frauenhaus und Gewaltschutzzentrum zur Vorsicht, Einsicht und Umsicht.

Eine Verschärfung der Obsorgeregelung im Sinne einer verpflichtenden gemeinsamen Obsorge für verheiratete, aber auch nicht verheiratete Paare (Lebensgemeinschaften etc.) ist unter Berücksichtigung des Aspekts von häuslicher Gewalt (körperliche, psychische und/oder sexuelle Gewalt) untragbar und höchst gefährlich für die Opfer. Und diese sind im Bereich der häuslichen, familiären Gewalt überwiegend und statistisch nachweisbar Frauen und Kinder!

In Österreich wird jede vierte bis fünfte Frau von ihrem Ehemann/Lebensgefährten misshandelt. 30 bis 40 Frauen werden jährlich in Österreich ermordet (Kriminalitätsbericht des BMI 2008). Mehr als die Hälfte aller Morde, die einem Jahr in Österreich verübt werden, passieren als Beziehungsgewalt oder in der Familie. Und das hat Auswirkungen auf die Kinder und Jugendlichen.

Die Statistik des Gewaltschutzzentrums Tirol zeigt, dass 90% der Opfer von häuslicher Gewalt Frauen sind. Auch die männlichen Opfer sind überwiegend mit männlicher Gewalt konfrontiert. (Väter, Brüder…) Das wird gerne weggelassen!

Im Bereich der sexuellen Gewalt sind die Täter zu 97% männlich

Gewalt gegen Frauen geht sehr oft mit Kindesmisshandlung einher. In 70% der Fälle, in denen die Frauen misshandelt wurden, werden die Kinder auch direkt körperlich, psychisch und oder sexuell misshandelt! 100% der Kinder, die in einem Frauenhaus leben sind von indirekter, beobachteter Gewalt betroffen, indem sie zu Zeuginnen und Zeugen der Gewaltanwendungen an ihrer Mutter wurden. Sie mussten mit anhören oder mit ansehen wie ihre Mutter gedemütigt, beschimpft, beleidigt, geschlagen, getreten, mit Waffen verletzt, vergewaltigt und zu nicht gewollten sexuellen Handlungen genötigt wurde. Im Gewaltschutzzentrum wurden im Jahr 2009 947 (mit)betroffene Kinder als ZeugInnen bzw. Opfer häuslicher Gewalt statistisch erfasst.

Überwiegend steht die sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen im familiären Kontext und wird das Vertrauens- und Abhängigkeitsverhältnis der Kinder missbraucht. Im Tiroler Kinderschutz fanden im Jahr 2009 allein 1.851 Beratungskontexte zur sexuellen Gewalt an Kindern und Jugendlichen statt. Auch dabei sind Kinder von mehreren Gewaltformen betroffen.

Die Zeit der Trennung und danach ist die gefährlichste Zeit für Frauen und Kinder: Das geht aus zahlreichen Untersuchungen hervor. Laut Prävalenzstudie in Deutschland werden 41% der Frauen 15% der Kinder im Rahmen von Besuchskontakten körperlich angegriffen, ganz zu schweigen von der Fortsetzung von Drohungen, von Kontroll- und Machtausübungen. Laut einer Kanadischen Studie tragen Frauen in der Zeit der Trennung und Scheidung ein fünfmal höheres Risiko, umgebracht oder schwer verletzt zu werden. Auch für die Kinder bedeutet diese Zeit, ein erhöhtes Maß an Misshandlungsrisiko. Es darf daher aus Sicherheitsgründen keine automatische gemeinsame Obsorge geben!

Täter degradieren sich auch als Väter. Auch wenn er – und das wird oft als Argument gebracht -„nur“ seine Frau misshandelt hat! Das Wohl des Kindes muss Vorrang haben vor dem Recht des Vaters auf das Kind. Und dieses Kindeswohl ist jedenfalls gefährdet, wenn die gemeinsame Obsorge verpflichtend wird! In einer Gesetzgebung muss berücksichtigt werden, dass ein Vater, der seine Frau misshandelt seine Kinder massiv schädigt und dass ein Vater, der seine Kinder missbraucht hat, keinesfalls zu gleichen Rechten die Obsorge zugesprochen bekommen darf!

Die Rechte der Väter, die so zahlreich und viel unterstützt eingefordert werden, stimmen nicht mit den tatsächlich übernommenen Pflichten überein! Es kann doch wohl nicht sein, dass Väter immer mehr ihre Rechte bezüglich der Kinder einfordern und in Sachen Pflichterfüllung nachweislich und auf haarsträubende Weise hinterherhinken!

  • Eine automatische gemeinsame Obsorge für gewalttätige Väter kann niemals im Sinne Kindeswohls sein!
  • Keine Ausweitung von Rechten ohne Ausgleich der Pflichten!
  • Zu den gerichtlichen Kriterien bei Obsorgeentscheidungen zählt auch der Grundsatz der gewaltfreien Erziehung und die Erziehungsfähigkeit.
  • Wir fordern die Beibehaltung der derzeitigen Obsorgeregelung, die sehr praktikabel und gut bewährt ist.
  • In Familien, wo keine Gewaltdynamik vorhanden ist, entscheiden sich ohnehin zu 80% zur gemeinsamen Obsorge.
  • Frauen, die sich dagegen entscheiden, haben gute Gründe!

Für Rückfragen:
Gewaltschutzzentrum Tirol: Mag.a Angela Federspiel, Tel: 0664 43 68 689
Tiroler Frauenhaus: Mag.a Gabi Plattner, Tel: 0650 27 03 568
Tiroler Kinderschutz: Mag.a Karin Hüttemann, Tel: 0512 58 37 57